Überatmung und Bohreffekt: Warum weniger atmen mehr ist
Die Atmung ist ein komplexer Prozess, der maßgeblich beeinflusst, wie viel Sauerstoff unser Körper aufnehmen kann. Und das geschieht auf eine Art und Weise, die im ersten Moment widersprüchlich erscheint. Ein Schlüsselkonzept ist dabei der Bohreffekt - benannt nach seinem Entdecker Christian Bohr. Dieser Effekt verdeutlicht, dass Überatmung zu einem paradoxen Ergebnis führt: Obwohl mehr Luft eingeatmet wird, gelangt weniger Sauerstoff in die Zellen.
Bei der Überatmung, auch als Hyperventilation bekannt, sinkt der Kohlendioxidgehalt im Blut unnatürlich stark ab. Dieser Abfall erschwert die Abgabe von Sauerstoff aus dem Blut an die Zellen. Das bedeutet, dass trotz des vermeintlich höheren Luftvolumens, die Zellen weniger Sauerstoff erhalten.
Der pH-Wert des Blutes spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Überatmung führt zu einem Anstieg des pH-Werts, wodurch die O2-Bindungsaffinität der roten Blutkörperchen steigt. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass die roten Blutkörperchen zwar mit zahlreichen Sauerstoffmolekülen beladen sind, diese jedoch zu stark an sich binden und nicht effizient abgegeben können. Die Sauerstoffladung bleibt also am Hämoglobin gebunden.
Im Gegensatz dazu ist eine leichte Unteratmung, also eine bewusst langsames und sanftes Atemmuster, vorteilhaft für die Gesundheit. Vor allem durch ein langsames Ausatmen wird der Kohlendioxidgehalt im Blut gesteigert, wodurch der pH-Wert absinkt. Das verringert wiederum die O2-Bindungsaffinität des Hämoglobins und die Sauerstoffladung kann nun an die Zellen abgegeben werden. So trägt eine bewusste, langsame Atmung zu einer verbesserten Sauerstoffversorgung des gesamten Organismus bei.
Eine dauerhafte Überatmung hat übrigens noch einen ungünstigen Langzeiteffekt: Rote Blutkörperchen haben eine Lebensdauer von mehreren Monaten, bevor sie absterben. Gleichzeitig werden in laufend neue rote Blutkörperchen im Knochenmark nachproduziert. Da unser Körper jedoch evolutionär darauf ausgelegt ist, möglichst viel Energie zu sparen, produziert er nur jene rote Blutkörperchen nach, die ihre Aufgabe gut erledigen. Registriert unser Organismus also, dass das Hämoglobin bis zu Letzt seine volle Sauerstofflast nicht abgeben konnte, wird es nicht mehr nachproduziert.
Damit führt eine Überatmung langfristig sogar dazu, dass unsere Anzahl an roten Blutkörperchen im Blut sinkt und wir generell weniger Sauerstoff aufnehmen können. Darunter leidet unsere Gesundheit, unsere Ausdauer und unser Wohlbefinden. Ist man ständig außer Atem, könnte der Bohreffekt dabei eine essenzielle Rolle spielen.
Insgesamt verdeutlicht der Bohreffekt, dass es nicht nur auf die Menge der eingeatmeten Luft ankommt, sondern auch auf die Art und Weise, wie wir atmen, und wie dies den pH-Wert des Blutes und die O2-Bindungsaffinität beeinflusst.
Ist Hyperventilation also immer schlecht? Nein! Bewusst eingesetzt für unsere Atemmeditation kann eine Hyperventilationstechnik großartige Effekte für die Psyche und das Nervensystem erzielen. Mit ihr können wir uns bewusst in eine Stressreaktion atmen und dort Druck und Anspannung loslassen, wo sie in uns feststeckt. Allerdings handelt es sich bei diesen Atemmediationen nur um kurze Zeiträume. Im Alltag ist es deshalb trotzdem wichtig, sich in der leichten Unteratmung zu üben.
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